Höchster Baum im Meggerwald
"In Küssnacht steht der höchste Waldbaum der Schweiz" konnte im September 2023 in der Luzerner Zeitung gelesen werden. Kommt dem Meggerwald wirklich die Ehre zu, den höchsten Baum in einem Walde zu beherbergen? Ich konnte mich daran erinnern, irgendwo wirklich grosse Bäume im Meggerwald gesehen zu haben. Dem wollte ich auf die Spur kommen.
Auf einem Spaziergang fand ich tatsächlich die Waldriesen des Meggerwalds wieder. Es sollen über 20 sein, die über 50m hoch sind. Mit gewaltigen Stämmen und tief gefurchter Borke stehen sie in der Nähe des einzigen Hochmoors im Meggerwald, dem Schlittenried. Zwei Highlights des Meggerwalds stehen demnach in unmittelbarer Nähe.
Kein einheimischer Baum
Die mächtigen Bäume sind Duglasies. Duglasien kommen ursprünglich aus dem Nordwesten der USA, von wo sie ein schottischer Botaniker namens Douglas vor zweihundert Jahren zum ersten Mal nach Europa brachte. Die Duglasien im Meggerwald sollen gemäss LZ 1884 aus deutschen Samen gezogen worden sein und damit bereits 60 Jahre nach der ersten Ankunft in Europa den Weg in den Meggerwald gefunden haben. Seit 1888 wächst die höchste Duglasie nun also an diesem Standort und hat alleine in den letzten 10 Jahren nochmals um 3m Höhe zugelegt. Mit ihrer stolzen Höhe von 60.1 Metern ist sie tatsächlich sehr hoch und liefert sich mit einer Douglasie im Oberargau mit 61m ein Wipfel an Wipfelrennen um den höchsten Schweizer Baum. Die Bäume beim Schlittenried sind übrigens so gut dokumentiert, weil die WSL in diesem Waldstück seit 1925 alle zehn Jahre den Wald vermisst und dokumentiert. Zum Vergleich:
- einheimische Weisstannen können auch bis zu 60m hoch werden und zählten damit zu den höchsten Schweizer Lebewesen,
- die einheimischen Rottannen erreichen hingegen meist "nur" 40m, ganz selten über 50m,
- die mächtigen Mammut-Bäume in der Stadt Luzern sind zwischen 30m und 40m hoch und eigentlich auch schon riesig,
- trotz des stolzen Alters von rund 140 Jahren sind die Duglasien weit von irgendwelchen Altersredkorden entfernt - mit über 800 Jahren gibt es einige einheimische Bäume, die viel älter sind.
Duglasie und die Biodiversität
Sind die zwei nahen Highlights des Meggerwalds auch bezüglich Biodiversität auf Augenhöhe? Die Wirkung der Duglasie auf die Biodiveristät hat die WSL untersucht und 2020 in einem Artikel veröffentlich. Glücklicherweise schafften es Duglasien bisher in der Schweiz nicht, sich als Sämling gegen raschwüchsige Laubbaumarten und dichte Krautvegetation durchzusetzen und sich erfolgreich, natürlich und unkontrolliert ausbreiten. Deshalb gelten Duglasien bis dato als nicht invasive Art. Bezüglich Wirkung auf die Biodiversität bieten Douglasien jedoch ungünstigere Bedingungen für einheimische Tier- und Pilzarten. Werden Duglasien in Reinbeständen angepflanzt, verringert sich die Zahl der Arten, welche in solchen Wäldern Lebensraum finden. Die Beimischung von Duglasien in naturnahen Wäldern sieht die WSL aus Sicht Waldbiodiversität bisher hingegen als wenig(er) problematisch an.
Vorteile in der Waldwirtschaft
Die Duglasie gilt in der Fortswirtschaft hingegen als sehr interessante Art, wie der Verband der Waldeigentümer schreibt. Dank waldbaulichen Vorteilen wie hohem Zuwachs, wertvollem Holz und höherer Trockenheitstoleranz gegenüber der Fichte werden Duglasien als Waldbaum für das Klima von morgen diskutiert. Dank der Kombination von tiefen und flachen Wurzeln (Herzwurzelsystem) ist die Duglasie gut gerüstet, Sommerhitze und Stürme zu überstehen. Da die WSL bei steigenden Temperaturen das Wachstumsoptimum der Duglasie eher in Höhenlagen oberhalb von 1000 m.ü.M. erwartet, kann davon ausgegangen werden, dass im Meggerwald keine Monokulturen von Duglasien angepflanzt werden. Aus Sicht der Waldbiodiversität ist dies begrüssenswert. Übrigens gilt die Duglasie auch als schädlingsresistent – sie kann beispielsweise nicht vom Borkenkäfer befallen werden – was an sich positiv ist. Weil aber kaum Schädlinge Lebenraum an der Duglasie finden, schliesst sich der Kreis und ist einer der Gründe, wieso fremdländische Arten für die Biodiversität meist nicht von grossem Wert sind.
Ehrfrucht vor der Grösse und des nahen Biodiversitätshotspots
Grosse Bäume beeindrucken zweifelsohne und lassen mich ehrfürchtig werden - so auch bei den Waldriesen im Meggerwald, auch wenn sie bezüglich Waldbiodiversität keine Lorbeeren erhalten. Dafür lohnt es sich bei einem Besuch der Waldriesen die Biodiversität im nahen Schlittenried nicht links liegen zu lassen. Dort finden Seltenheiten wie der Rundblättrige Sonnentau oder die Kleine Moosjungfer einen Lebensraum und zeigen auf, wieso der Meggerwald als Perle der Biodiversität betrachtet werden kann. An den fremdländischen Duglasien kann es nicht liegen - auch wenn sie noch so hoch sind.