Artenarme Schweiz
In meiner Kindheit (in den 1960er Jahren) verstand es mein Vater ausgezeichnet bei jedem Spaziergang ein Spiel mit mir und meinem Bruder zu spielen. Wir zählten die Wildtierarten, die uns auf dem Feld und im Wald begegneten und erstellten so eine Art Statistik zum Vorkommen dieser Tiere. Wir sahen regelmässig Feldhasen und Rebhühner auf dem Feld und Füchse, Dachse, Rehe und Rothirsche im Wald. Ich erinnere mich, Feldhasen waren fast immer zu sehen. Ähnlich häufig schreckten wir (natürlich unabsichtlich) jeweils eine Kette Rebhühner auf, die mit einigem Getöse stets dicht über dem Boden bleibend, davon flog. Und im Frühjahr hörten und sahen wir regelmässig die Feldlerche, die über uns in die Höhe stieg und gleichzeitig ohne Unterlass ihr fröhliches Lied sang. Viele jüngere Menschen in der Schweiz haben die Feldlerche nie gehört und gesehen. Wer aber je einen Frühlingsmorgen erlebt hat, an dem die Luft vom Lied der Feldlerche erfüllt ist, dem wird dieser Morgen in schönster Erinnerung bleiben, denn der beschwingte Gesang dieser „Minnesängering der Lüfte“ erhellt jedes dafür empfängliche Gemüt.
Ich erwähne diese drei Tierarten hier exemplarisch, stellvertretend für (zu) viele andere Arten, die es in der Schweiz entweder schon nicht mehr gibt, oder die vom Aussterben bedroht sind. Schweizweit ist der Bestand von Feldhasen auf durchschnittlich 2.7 Hasen pro Quadratkilometer gesunken. Das ist dramatisch, denn bereits eine Dichte von 2-6 Hasen gilt als „kritisch“. Der Gefährdungsstatus der Feldlerche ist VU = vulnerable, d.h. verletzlich. Die natürlichen Vorkommen des Rebhuhns sind in der Schweiz so gut wie erloschen (Gefährdungsstatus CR = critically endangered, d.h. vom Aussterben bedroht). Hinzu kommt, dass in der Schweiz ein enormes Insektensterben eingesetzt hat, das nun immer bedrohlichere Ausmasse annimmt. Die Ursachen für den Rückgang der Insekten sind der permanente Verlust an Lebensräumen. Die riesigen, oftmals überdüngten und mit Pestiziden behandelten Agrarflächen sind kein Lebensraum für die allermeisten (Insekten)Arten. Die Klimaerwärmung, die Zunahme invasiver Arten und Lichtverschmutzung tun ihr Übriges. Das Insektensterben ist dann auch ursächlich für den Rückgang so vieler Vogelarten!
Passend zu meinen obigen Ausführungen hat die NZZ am Sonntag vom 28. Mai 2023 in der Rubrik „Wissen“ einen, wie ich meine, aufschlussreichen Artikel mit dem Titel „Vögel meiden die Schweiz“ veröffentlicht. Es geht hierbei um eine Studie zur Vogelvielfalt, die im Fachmagazin „Ecological Economics“ publiziert wurde. Vogelbestände in der Schweiz wurden mit jeweils benachbarten Gebieten in Frankreich und in Deutschland verglichen. Bei diesen Erhebungen zeigte sich, dass in der Schweiz pro Quadratkilometer 2.5 Arten und 44 Brutreviere weniger waren als im Ausland. Die Differenz zu Frankreich war mit einem Minus von 4 Arten und 50 Brutrevieren besonders gross. „Insgesamt legen diese Erhebungen nahe, dass insbesondere die intensive Landwirtschaft die Ursache für den bedauernswerten Zustand der Biodiversität in der Schweiz ist“ so Robert Finger (ETH Zürich), einer der Autoren der Studie. Es ist ein Faktum: Riesige, auf maximale Produktion ausgerichtete landwirtschaftliche Flächen verdrängen die Natur und somit Insekten und andere Tier- und Pflanzenarten. Böden werden ausgelaugt, so dass immer mehr Dünger und Pestizide nötig werden. Gewässer und Grundwasser werden mit Pestizidrückständen und Nitrat belastet. Es erhebt sich die Frage: Können so (mit gutem Gewissen) wirklich unbelastete Lebensmittel produziert werden? Und trotz all dieser Intensivierung kommen viele Bauernfamilien kaum über die Runden. Dies finde ich besonders beklagenswert. Die Schweiz braucht Bauern und Landwirtschaft und zwar eine nachhaltige, naturschonende Landwirtschaft, die gesunde Lebensmittel produziert und jenen, die sie häufig mit viel Herzblut betreiben, ein gutes Auskommen bietet. Dies alles legt nahe: Es braucht eine konsequente Umorientierung der Landwirtschaftspolitik in der Schweiz.
Und noch etwas muss in diesem Zusammenhang erwähnt und leider auch beklagt werden: Schon 2020 stellte die Europäische Umweltagentur nüchtern fest: „Das schlechteste Ergebnis erzielt die Schweiz bei der Biodiversität. Sie hat von allen Europäischen Ländern den niedrigsten Anteil an Schutzgebieten im Verhältnis zur Landesfläche.“ Mir fällt auf, während bezüglich Walddiversität in der Schweiz ein Umdenken zu erkennen ist (was auf dieser Website die beiden Artikel: „Neue Lebensräume im Bannwald“ und „29 Schätze und neue Perlen im Meggerwald“ zeigen), finden sich Punkto "Feld/Flur-Diversität“ wenige Fortschritte. Immerhin gibt es diesbezüglich aber einen Schritt in die richtige Richtung. Ab 2024 schreibt der Bund auf Ackerflächen mindestens 3.5% Biodiversitätsförderflächen vor. Das Problem ist also erkannt! Bleibt zu hoffen, dass in der Folge ein Netz zusammenhängender Ausgleichsflächen entsteht, ein Flächennetz, das eine signifikante Artenzunahme bewirkt – und – dass dies alles in gutem Einvernehmen mit der Landwirtschaft umgesetzt werden kann.
Anmerkung: Ich erkläre hiermit, dass dieser Text von keiner KI, sondern in allen Teilen von mir stammt.